Erbe ausschlagen oder annehmen?
Sie haben Post vom Nachlassgericht bekommen. Ihr Vater, zu dem Sie seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr hatten, ist verstorben und hat kein Testament hinterlassen. Sie kommen als Erbin in Betracht, wissen aber nichts darüber, ob Ihr Vater vermögend war oder verschuldet. Sie versuchen, bei Banken und Behörden Auskünfte zu erhalten, scheitern jedoch, weil Sie keinen Erbschein vorweisen können. Um einen Erbschein zu beantragen, müssten Sie wiederum das Erbe annehmen. Eine verzwickte Lage. Und die Zeit drängt, denn die Ausschlagungsfrist endet sechs Wochen nach Kenntnis darüber, dass Sie Erbe geworden sind.
Im Zweifel sollten Sie in einem solchen Fall die Erbschaft annehmen.
Das gilt zumindest dann, wenn Sie keine Anhaltspunkte für eine Überschuldung des Nachlasses haben. Die Annahme der Erbschaft ist nicht formbedürftig. Es genügt, wenn Sie sich wie ein Erbe verhalten und beispielsweise Nachlassgegenstände an sich nehmen oder nicht fristgerecht ausschlagen. Nach Annahme der Erbschaft können Sie einen Erbschein beantragen. Dieser legitimiert Sie als Erben, so dass Sie nun bei Behörden und Banken die erforderlichen Auskünfte einholen und gegebenenfalls Nachlassverbindlichkeiten direkt vom Nachlasskonto bedienen können.
Liegt ein notarielles Testament vor, bedarf es in der Regel keines Erbscheins. Hier genügt das Eröfffnungsprotokoll als Legitimation.
Stellen Sie nach einem Blick auf die Konten und maßgeblichen Unterlagen fest, dass der Nachlass wider Erwarten überschuldet ist, besteht regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft anzufechten. Allerdings gilt auch hier, dass Sie die Anfechtungserklärung schnellstmöglich nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund abgeben sollten, spätestens innerhalb von sechs Wochen. Der Irrtum über die Werthaltigkeit einzelner Nachlassgegenstände ist übrigens in der Regel kein Anfechtungsgrund, wohl aber der Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses.
Wenn Sie auch die Anfechtungsfrist versäumt haben, bleibt Ihnen bei einer Überschuldung des Nachlasses nur noch der Weg über ein Nachlassinsolvenzverfahren. Dadurch können Sie zumindest erreichen, dass Ihre Haftung auf den Nachlass beschränkt wird.
Erbscheinsanträge, Erbschaftsausschlagungen und die Anfechtung einer Erbschaftsannahme können beim Nachlassgericht oder - meist kurzfristiger - vor dem Notar Ihres Vertrauens protokolliert oder beglaubigt werden.